"Meine ersten 100 Meilen beim KAT!

Mit einem Grinsen am Start!

„Zwei Drittel macht der Kopf aus!“, das war mein Credo für meine 100-Meilen-Premiere.

Zur Vorbereitung bin ich die Strecke vom KAT100 ab Waidring selbst abgelaufen, so wusste ich genau was auf mich zukommt. Physiologisch war ich definitiv nicht auf diese Herausforderung vorbereitet, vier Events in zwei Monaten war einfach zu viel an Arbeit.

Der erste Schock war jener, als ich bemerkte, dass …

 

… es nur drei Livepoints gab, sprich nur an drei Stellen persönlicher Support möglich war. Alleine beim Reinquetschen der 20 Gels in eine Softflask bekam ich Verspannungen in der rechten Schulter. Akribisch wurde jede Versorgungsstation mit Softflasks, Schuhen und Bekleidung vorbereitet. Zusätzlich bekamen meine Betreuer einen Zeitplan wann ich wo sein würde. Zu guter Letzt wurde die Wettervorhersage von Tag zu Tag besser, eine Hitzeschlacht war definitiv nicht das was ich erhoffte.

Nur zirka 80 der gemeldeten 100 Hundert-Meiler holen sich den GPS-Tracker ab, alleine das ist wohl ein Zeichen, dass viele Respekt vor der Strecke haben. Alexander Rabensteiner ist mit am Start, es ist sein dritter Hunderter in diesem Jahr – für mich ist es eine große Freude mit ihm am Start zu stehen. Mit dabei ist auch mein Teamkollege Bernd Zwinger, der mit Felix Gruber die Ekiden-Staffel läuft. Bernd gewinnt schließlich souverän den Ultrabewerb bis Kitzbühel.

80 LäuferInnen nehmen die Ultradistanz in Angriff - cool bleiben!

Mit „Bomben und Granaten“ laufen wir aus Fieberbrunn raus, trotz einem Lächeln im Gesicht und bewusstem „langsam laufen“ sind wir zu schnell. Aber es geht locker dahin in Richtung Wildseeloder, noch pushen mit die Kollegen zu einem flotten Lauftempo, schließlich will ich ja nicht gleich am ersten Berg abreißen lassen. Schon kommt die erste Überraschung: Wir laufen hinauf zum Gipfel vom Wildseeloder! „Der Bjak hat die Strecke kurzfristig geändert.“, wurde uns so versichert, dass wir richtig unterwegs sind. Aha, so hat der erste Anstieg 1.400 Höhenmeter und der gesamte Zeitplan wird somit auf den Kopf gestellt.

Volle Motivation!

Schon der erste Downhill nach Hochfilzen ist charakteristisch für den KAT100: ewig lange Forst- und Asphaltstraßen über mehr als 1.000 Höhenmeter, das ist echt ermüdend, belastend – und hat wenig mit Traillaufen zu tun. Überhaupt ist der Asphalt- und Forststraßenanteil überraschend hoch, das wäre in der Region der Kitzbüheler Alpen sicher anders gegangen. Vielleicht könnte man hier für die nächste Austragung an alternativen Trailstrecken suchen?

Die erste Nacht steht an - von Hochfilzen über Waidring nach St. Johann!

Die Dämmerung bricht herein und die erste Labestation nach 25 Kilometern in Hochfilzen kommt näher. Zeit lassen, Elektrolyt auffüllen und Stirnlampe einschalten, jetzt beginnt der Anstieg zum Jakobskreuz. Die Athleten, die mit bei der Labestation überholt haben, sind bald zurück überholt. Bergauf ist einfach mein Metier, da fühle ich mich wohl und kann auch sehr gut mein angepeiltes Tempo halten. Bergab ebenso, da kann ich es gut laufen lassen. Nur im Flachen, da fehlt mir mein Schritt und die fehlenden Trainingsstunden, aber flach ist´s zum Glück nur bis Waidring, das Streckenprofil kommt mir definitiv entgegen.

In der Dunkelheit lassen sich die reflektierenden Markierungen kaum ausmachen, sie sind zu klein, zu selten gesetzt und entweder verdeckt, umgefallen, zu weit in die Wiese reingesetzt … oder einfach nicht mehr da. Von den Absperrbändern nimmt man die weiße Rückseite wahr, aber nicht die pinke Vorderseite. In St. Jakob verlaufe ich mich zu ersten Mal, zum Glück nicht weit, weil die Laufkollegen bald das richtige Wegerl finden. Aber schon lässt sich erahnen, dass das Finden der richtigen Strecke eine weitere Herausforderung beim KAT100 sein wird.

Bei der Labestation St. Ulrich im Pillerseetal komme ich zwar noch immer entsprechend meiner Marschtabelle an, aber ich habe noch immer nicht „mein Laufgefühl“. Was nichts anderes heißt, dass ich für mein hohes Anfangstempo büßen muss und geduldig sein muss, dass ich meinen Laufrhythmus finde. Auf der Strecke nach Waidring verlaufe ich mich ein weiteres Mal, laufe zusätzliche Kilometer um den Pillersee herum, finde aber wieder auf die Originalstrecke zurück und komme schließlich beim ersten Livepoint an: Schuhe wechseln, Langarmshirt anziehen, Suppe essen und der ersten Powernap. Mit dieser Erholung kann jetzt nach etwa sieben Stunden der KAT100 richtig beginnen, bisher war´s nur Aufwärmen.

Und siehe da, im Anstieg auf den Mitterberg und Kirchberg liege ich nur acht Minuten hinter meiner Zielzeit und kann wirklich flott Tempo machen. Wenn ich es in Zukunft schaffe, die Zeit bei den Livepoints zu reduzieren und das Bewegungstempo gleich zu halten, dann habe ich sicher noch einiges an Zeitpotential rauszuholen. In Summe überhole ich im Abschnitt bis St. Johann in Tirol sicherlich so um die 15 Personen. Mein Glück ist, dass ich nicht auf die Markierung achten muss, ich kenne die Strecke zum Glück wie meine Hosentasche. Bis zum Downhill beim dem ich mich zum dritten Mal verlaufe – das gibt´s doch nicht. Vom Flow und Tempo getrieben habe ich eine Abzweigung versäumt, ein Zeitverlust von etwa fünf bis zehn Minuten sind die Folge. Aber das gute Laufgefühl überwiegt als ich in der Morgendämmerung in St. Johann einlaufe.

Jetzt kommt der nächste schöne Anstieg - das Kitzbüheler Horn in der Morgendämmerung!

Wieder Schuhe ausziehen und Steinchen rausklopfen, Suppe trinken und Elektrolyt auffüllen, nun liegt das Kitzbüheler Horn vor mir – ein Anstieg auf den ich mich total freue. Flotten Schrittes geht´s den Harschbichl hinauf, steil – steiler – am steilsten. Vor und hinter mir weit und breit keine Läufer, erst als ich die Querung unter dem Kitzbüheler Horn mache erblicke ich ca. 15 Minuten vor und hinter mir meine Mitstreiter. Ich selbst denke mir, dass ich zu fertig bin, den Vorsprung zu halten. Aber die Leute an der Labestation versichern mir, dass ALLE so fertig sind wie ich. Ob das ein Trost ist? Ja, definitiv „JA“!

Kitzbüheler Horn!

Im ersten Abschnitt vom Downhill nach Kitzbühel verlaufe ich mich wieder kurz, wieder fünf Minuten dahin. Natürlich mein Fehler, aber wie sollte eine Markierung bei einem 100-Meilen-Trail sein? Ich finde sie soll so sein, dass sich die Teilnehmer bei allen wichtigen Abzweigungen sicher sind, am richtigen Weg zu sein. Die konditionellen Anstrengungen an die TeilnehmerInnen sind so vielfältig, dass aus Sicht des Veranstalters das Maximum an Streckenmarkierung unternommen werden soll, um so für die Zufriedenheit und Sicherheit der TeilnehmerInnen zu sorgen.

Jetzt wird es richtig heiß - anstrengende Höhenmeter warten auf mich!

In Kitzbühel angekommen sorgt die Sonne schon für den ersten Hitzeschock. Aber dessen nicht genug, wir müssen aus welchen Gründen auch immer eine Extraschleife auf Asphalt durch die Gamsstadt laufen, Gleiches gilt später für Jochberg - meiner Ansicht nach völlig unnötig, denn die Trailstrecken sollen sinnvoll geführt und nicht mit Umwegen auf Asphalt verlängert werden.

Halbzeit in Kitzbühel bedeutet wieder volle Regeneration, Bekleidungswechsel und Powernap. Leider entschließe ich mich zu einem Wechsel meines Laufrucksackes, weil ich meine aufgrund der langen Strecke und enormen Hitze zusätzlich ein Camelbag mitführen zu müssen. Letztendlich erweist sich dieser Entschluss letztendlich als falsch, denn das zusätzliche Gewicht ist definitiv mehr Belastung als Unterstützung.

An der nächsten Herausforderung, der Streif, scheitere ich beinahe: ein drohender Hitze- und Krieslaufkollaps bringen das vorzeitige Aus bedenklich nahe, denn für die ersten 200 Höhenmeter habe ich mehr als 30 Minuten benötigt. Da heißt es nun kühlen Kopf bewahren, im Schatten ausrasten und den Anstieg in kleinen Etappen angehen. Kurze Pausen, langsamer Schritt und ein Sturschädel sowie zwei aufmunternde Laufkollegen bringen mit schließlich wieder zurück in die Spur. Oben angekommen und hinüber zum Pengelstein ist schließlich wieder nur alle 500 Meter eine Markierung zu finden, definitiv zu wenig.

Hier kommt mir meine Streckenkenntnis zu Gute, ein absoluter Vorteil: Ich weiß wie die Strecke geht, wie lange der nächste Abschnitt dauert, wann der nächste Abschnitt kommt und wie steil der sein wird. Da hilft mental und physisch, so kann ich mir meine Kraft optimal einteilen. Zum Beginn vom Downhill nach Jochberg wartet meine nächste Überraschung: meine Betreuer haben den ganzen Weg nach oben auf sich genommen, um mich zu motivieren – WOW, wie cool ist das denn!

Im Übrigen habe ich vollkommen das Zeitgefühl verloren und abgegeben, mich interessieren keine Kilometer- oder Höhenmeterzeiten mehr, das Vergleichen mit Marschtabellen und anderen LäuferInnen hat keinen Sinn mehr. Ich laufe nur noch mehr für mich, höre in meinen Körper rein und bin fokussiert. Es zählt nur mehr was im nächsten Streckenabschnitt passiert und nicht mehr wie lange ich schon unterwegs bin oder unterwegs sein werde. Ich brauche so lange wie ich brauchen werde, die Zeit hat seine Relevanz verloren, egal ob Tag oder Nacht – ich bewege mich bis ich im Ziel bin.

Immer die Ruhe bewahren!

Kurz vor Jochberg ereilt mit eine Hitzekollaps, der Downhill runter ins Tal hat mir richtig Körner gekostet und es ist ja auch wieder richtig heißt im Tal unten. Also nochmal beim Bach stoppen, abkühlen, durchschnaufen, Zeit lassen, Energie tanken – dann kann´s weiter gehen. Bei der Labestation in Jochberg gibt´s Elektrolyt, Cola und Suppe. Alles andere bei der Labestation lasse ich liegen, denn mit Obst, Landjäger, Käse oder Fruchtmus will ich mir nicht meinen Magen verderben, außerdem sind das keine hochwertigen Kohlehydrate. Überhaupt sind die Labestationen meines Erachtens nicht sinnvoll bestückt. Riegel und Gels sollten schon zur Pflichtausstattung gehören.

Zweiter Anstieg in der Hitze - die Challenge auf den Teufelssprung ist extrem!

Mein Betreuungsteam steht mir wieder voll zur Seite und baut mich moralisch auf, das ist wirklich Balsam auf der Seele. Keine Ahnung wie spät es ist oder wie lange ich unterwegs bin, was zählt ist der nächste Abschnitt. Und der hat es wirklich in sich. Nach der Asphaltschleife durch Jochberg geht´s den Wanderweg hinein bis zum Wasserfall, immer wieder kurze Rastpausen, denn die Hitze setzt mir noch immer zu. Erhöhte Körpertemperatur machen den an sich schon steilen Anstieg zur Tortur. Bei der Labestation sagt man mir, dass ich gleich schlecht ausschaue wie die anderen. Ob das ein Trost ist? Bei jedem Bächlein und bei jedem Wassertrog bleibe ich stehen, trinke und kühle mich. Nur so schaffe ich es hinauf auf den Teufelssprung. Was mir bei den anderen Bergen zu viel an Forstwegen und Straßen war ist mir jetzt zu viel an Trails, nämlich wirklich steiler und technischer Trail.

Aber irgendwie hat jeder Berg sein Ende und je höher ich hinauf komme umso kühler wird´s. Immer wieder Gel reindrücken, nur so schaffe ich auch den Trail entlang der Höhen. Beim Gamshag gibt´s noch eine kurze Rast im Sonnenuntergang, dann heißt´s wieder hinunter über die Trails. Bei der Labestation Osthang erwartet mich mein Betreuer Hias und den ewigen Downhill über Forststraßen und Asphalt nach Oberaurach bewältigen wir gemeinsam. Hier kann ich erstmals den Downhill nicht durchlaufen. In der Abenddämmerung, sprich nach etwa 27 Stunden machen sich die Anstrengungen bemerkbar.

Angekommen in Oberaurach, dem letzten Livepoint, erfahre ich, dass der Führende noch immer nicht im Ziel ist. Irgendwie beruhigt mich das. Das heißt, dass die vom Veranstalter veranschlagte Zielzeit nicht gehalten werden konnte. Die Strecke hatte es also wirklich in sich. Aber was macht die Strecke so schwierig? Die Länge und die Höhenmeter können es nicht sein, denn die gibt´s bei anderen Trails auch. Sind es die Streckenmarkierung, das Wegeprofil (Trails / Straßen im Down- und Uphill), die Labestationen / Livepoints und / oder die Hitze? Ich kann´s nicht einschätzen, denn ich habe keinen Vergleich.

Frisch vergnügt in die letzte Nacht - das schaffe ich auch noch!

Nach Suppe, Cola und Powernap nehme ich irgendwann vor Mitternacht den letzten Streckenabschnitt in Angriff. Mir ist egal wie lange und wie weit, ich frage auch nicht danach – alles unrelevant, das Ziel zählt. Im Anstieg über die Forststraße begleitet mich meine Frau Elfi, das tut gut. Respekt allen TeilnehmerInnen, die den Trail ohne Begleitung und Betreuung geschafft haben. Jemanden an der Seite zu wissen, mit dem man seine Sorgen teilen und auf die man bei der Betreuung zählen kann ist schon sehr viel wert.

Bei der vorletzten Labestation winkt mir schon Uschi entgegen, sie ist für mich neben BJAK das Herz dieser Veranstaltung. Als Helferin ist von Anfang bis Ende mit dabei und repräsentiert für mich alle engagierten HelferInnen dieses Events. Manche von ihnen sind an zwei bis drei verschiedenen Stationen eingeteilt, schlafen kaum mehr als wir Teilnehmer, haben immer ein Lächeln im Gesicht, haben Verständnis für unser Leiden und ermöglichen letztendlich eine Veranstaltung, die ohne ihren Einsatz in der Form nicht realisiert hätte werden können. Chapeau, ein herzliches DANKE an euch alle!

Eine kurze Rast auf der Bierbank mit Blick in den Sternenhimmel bringt mir wieder richtig Energie, um den letzten Abschnitt in Angriff zu nehmen. Nochmal steil hinauf auf den Grat und dann eine ewig lange Querung, die Augen der Kühe leuchten verwundert zurück: „Schon wieder so ein Depp mitten in der Nacht!“. Jetzt kommt das Ziel immer näher, bei der Scharte vom Wildseeloder sind es aber immer noch zwei Stunden bis nach Fieberbrunn.

Powernap!

Auch nun heißt es wieder volle Konzentration und aufpassen. Der Weg hinunter zu See ist sehr steinig und loses Geröll macht jeden Tritt instabil. Während des gesamten Wettkampfes bin ich nie gestolpert oder umgefallen, ein Glück, das soll auch jetzt bis ins Ziel so bleiben. Die Wildseeloderhütte ist bald erreicht, dann noch der Weg bis hinunter zur Bergstation. Jetzt sind alle technischen Abschnitte überwunden, nun heißt es wieder runter dem Forstweg.

Interessanterweise kann ich noch immer laufen und lass´ es – zumindest gefühlt – bergab im Wald noch immer krachen. Auch wenn ich wahrscheinlich langsam bin, aber es macht mir Spaß am Trial über Wurzeln und Stufen zu springen. Kurz vor der Talstation überhole ich die führende Frau und kann sogar hinauf zum Lauchsee laufen, unwahrscheinlich. Wieder läuft mir meine Frau entgegen und schon erblicke ich das Schild „noch 1 KM zur Ziellinie“!

Nach 36 Stunden und 28 Minuten bin ich schließlich im Ziel, ich kann die Ziellinie sogar laufend überqueren. Unvorstellbar – ich habe meinen ersten 100-Meiler gefinisht! Rang und Zeit sind egal, obwohl mich der 8. Platz schon sehr stolz machen. Die Premiere bei eine so fordernden Strecke zu absolvieren ist wirklich cool. Ich glaub jetzt bin ich ein Ultra-Trail-Läufer!

So sehen Sieger aus!

Fotocredit:

  • Matthias Kreuzer
  • Andi Frank
  • Uschi Steurer
  • Josef Gruber